Oft wird Modafinil als Smart Drug zur Lernförderung bei Jugendlichen und zur Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten bei älteren Menschen eingesetzt. Zugelassen ist die Psychostimulans aber nur zur Behandlung von Narkolepsie. In dieser Übersicht werden sowohl die Belege für den Nutzen als auch das Schadenspotenzial untersucht. Wenn es so wirksam ist, wie es scheint, sollte es dann jeder nehmen? Ist es empfehlenswert oder sollte man sich Sorgen machen, wenn jemand es nehmen möchte? In diesem Artikel wird die Evidenzbasis für Modafinil als Smart-Drug diskutiert.
Psychostimulanzien wie Modafinil und Methylphenidat werden zur Behandlung von Hypersomnien wie Narkolepsie und manchmal auch zur Behandlung von Tagesmüdigkeit aufgrund von obstruktiver Schlafapnoe und von Schlafstörungen bei Schichtarbeitern verschrieben. Sie werden aber auch häufig als „Smart-Drugs“ bei Menschen ohne Schlafstörungen zur Verbesserung der Konzentration und des Gedächtnisses eingesetzt, insbesondere Modafinil. Es ist das am häufigsten verschriebene Psychostimulans zur Behandlung von Narkolepsie und wird auch außerhalb der Zulassung bei Depressionen, älteren Menschen und neurodegenerativen Erkrankungen zur Verbesserung von Aufmerksamkeit und Kognition eingesetzt. Gesunde Menschen, die Modafinil als Smart-Drug einnehmen, berichten über eine erhöhte Konzentration und Aufmerksamkeit, die es ihnen ermöglicht, intensiver und länger zu lernen und zu arbeiten. Im Gegensatz zu anderen traditionellen Psychostimulanzien wie Amphetaminen hat Modafinil nur wenige bekannte Nebenwirkungen, ein geringes Toleranz- oder Abhängigkeitspotenzial und ist relativ sicher in der Anwendung. Es ist weit verbreitet online erhältlich.
Warum wird Modafinil als Smart-Drug verwendet?
Modafinil ist ein seit 1994 zugelassenes Psychostimulans, das die Wachheit steigert. Der genaue Mechanismus ist noch umstritten, aber es wirkt als atypischer, selektiver und schwacher Dopamin-Wiederaufnahmehemmer und hemmt gleichzeitig die Wiederaufnahme von Noradrenalin. Außerdem aktiviert es indirekt die Freisetzung von Orexin-Neuropeptiden und Histamin und hemmt GABA, wodurch Erregung und Wachsamkeit gesteigert werden. Erhöhte Konzentrationen zirkulierender Katecholamine sind für die Erregung des Verhaltens verantwortlich.
Modafinil hat chemische und physiologische Wirkungen, die sich von Amphetaminen unterscheiden. Amphetamine haben weitaus stärkere Auswirkungen auf die motorische Aktivität und eine kürzere Halbwertszeit. Dies könnte erklären, warum Modafinil weniger Nebenwirkungen hat als andere herkömmliche Stimulanzien und ein sehr geringes Potenzial für Toleranz oder Abhängigkeit aufweist.
Modafinil hat aber trotzdem einige unerwünschte Nebenwirkungen, darunter Bluthochdruck (zu Beginn der Einnahme, aber kein Nachweis für einen anhaltenden Anstieg des Blutdrucks im Vergleich zu Placebo), Kopfschmerzen bei bis zu 20 % der Patienten und erhöhte Angstzustände mit Herzklopfen bei einigen. Außerdem erhöht die lange Halbwertszeit von 12 bis 15 Stunden zweifellos die Wahrscheinlichkeit von Schlaflosigkeit. Es kann die Wirksamkeit von kombinierten oralen Verhütungspillen beeinträchtigen und bei Einnahme während der Schwangerschaft das Risiko angeborener Missbildungen erhöhen. Dies sind bemerkenswerte Wechselwirkungen, wenn man bedenkt, dass sich die Einnahme von Modafinil und Verhütungsmitteln möglicherweise überschneidet. Die verschriebene Dosis reicht von 100 mg bis 400 mg pro Tag in einer oder zwei geteilten Dosen.
Wer würde Mofdafinil als Smart-Drug verwenden?
Über die Anzahl der jährlich in Deutschland ausgestellten Rezepte für Modafinil liegen keine öffentlich zugänglichen Daten vor. Schätzungen gehen jedoch von mehreren zehntausend Rezepten aus. Im Vereinigten Königreich, das etwa 20 % weniger Einwohner als Deutschland hat, werden jährlich 80.000 Rezepte für Modafinil ausgestellt, obwohl das Medikament auch dort nur für Narkolepsie zugelassen ist. Diese Patienten sind wahrscheinlich nur die Spitze des Eisbergs.
Wie in Deutschland gibt es auch im Vereinigten Königreich eine Vielzahl von Websites, auf denen Modafinil ohne Rezept verkauft wird, zum Teil mit der Warnung, nicht direkt an Studentenwohnheime liefern zu lassen. Eine globale Drogenumfrage aus dem Jahr 2017 ergab, dass 6,6 % der Befragten verschreibungspflichtige pharmakologische kognitive Stimulanzien (PCS) für nichtmedizinische Zwecke einnehmen. Die meisten Konsumenten sind berufstätige Männer mit Hochschulabschluss. Es ist unklar, ob Modafinil hauptsächlich für „Nachtschichten“ vor einer anstehenden Klausur oder auch tagsüber zur dauerhaften Leistungssteigerung eingenommen wird.
Welche Evidenz gibt es für Modafinil als Smart-Drug?
Inzwischen liegen zahlreiche randomisierte kontrollierte Studien vor, in denen die kognitive Leistungsfähigkeit unter Modafinil im Vergleich zu Placebo sowohl bei gesunden Probanden ohne als auch bei Probanden mit Schlafmangel untersucht wurde. Die Einzeldosen lagen in der Regel zwischen 100 mg und 400 mg. Es wurden zahlreiche kognitive Tests mit unterschiedlichen Ergebnissen durchgeführt.
Eine Meta-Analyse und ein systematischer Review aus dem Jahr 2019 untersuchten 19 Studien und fanden einen signifikanten, aber kleinen Effekt in vielen kognitiven Bereichen. Es gab keinen Unterschied zwischen verschiedenen kognitiven Bereichen und keinen Unterschied zwischen 100 mg und 200 mg. Modafinil wurde mit dem weltweit populärsten Stimulans Koffein sowie mit Methylphenidat und Dexamphetamin verglichen. Sowohl Modafinil als auch Koffein erhöhen die extrazellulären Katecholaminkonzentrationen und fördern so die Wachheit. Koffein ist ein Adenosinblocker, der die Katecholaminkonzentrationen indirekt erhöht, jedoch mit breiteren physiologischen Effekten und variableren Plasmaspitzen- und Eliminationswerten.
In einer kürzlich durchgeführten Metaanalyse wurden 47 Studien zum Vergleich von Modafinil, Methylphenidat und Dexamphetamin mit Placebo bei gesunden Probanden ohne Schlafentzug ausgewertet. Für Dexamphetamin zeigte sich kein Nutzen, für Methylphenidat nur ein geringer Nutzen für die Daueraufmerksamkeit und für Modafinil eine Verbesserung der Aufmerksamkeit und einiger Gedächtnisbereiche. Die Autoren weisen auf die Variabilität sowohl des Studiendesigns als auch der Ergebnisse hin.
Verbesserung bei Schlafmangel
Es gibt überzeugende Hinweise darauf, dass Modafinil die Aufmerksamkeit und die exekutiven Funktionen bei Personen mit Schlafentzug verbessert. Schlafentzug führt zu Defiziten bei Wachheit und Aufmerksamkeit, aber auch bei den exekutiven Funktionen. Zu den exekutiven Funktionen gehören die kognitiven Fähigkeiten, die notwendig sind, um Handlungen zu planen und zu koordinieren, das Verhalten zu überwachen und gegebenenfalls anzupassen, die Aufmerksamkeit zu fokussieren und Ablenkungen zu unterdrücken. Völliger Schlafentzug reduziert viele dieser Funktionen, einschließlich der Fähigkeit, differenziert zu denken und flexibel zwischen thematischen Kategorien zu wechseln.
Die Ergebnisse, die den Nutzen von Modafinil belegen, wurden in mehreren Studien mit einfachen Aufgaben nachgewiesen, insbesondere solchen, die die Daueraufmerksamkeit und die Reaktionsgeschwindigkeit testen, wie zum Beispiel der Psychomotorische Vigilanztest (PVT). Der PVT ist ein einfacher Test der Reaktionsgeschwindigkeit auf visuelle Reize, der ein Maß für die Wachsamkeit ist. Bei Schlafmangel kommt es zu einer verzögerten Reaktion.
Problemlösung, Kreativität und exekutive Funktionen
Die exekutiven Funktionen und die Verarbeitungsgeschwindigkeit verbesserten sich nach der Einnahme von Modafinil geringfügig, aber signifikant. Für andere Bereiche des Gedächtnisses, einschließlich Problemlösen und Kreativität, die sich in einigen Studien verschlechtert haben, gibt es weniger Belege. Wenn das Ziel der Einnahme von Modafinil darin besteht, die Verarbeitungsgeschwindigkeit zu erhöhen, um ein Projekt schneller abzuschließen, kann es nützlich sein. Bei längerem Lernen ist Modafinil möglichwerweise weniger nützlich, es gibt aber viel wenige Studien, die dies untersucht haben. Zur Kognition gehören natürlich die exekutiven Funktionen, aber auch das Kodieren, Sortieren, Abrufen und anschließende Verknüpfen von zunächst flüchtigen Inhalten des Kurzzeitgedächtnisses. Kreatives Denken wird durch Psychostimulanzien nicht eindeutig gefördert.
Langzeitnebenwirkungen
Zu den Langzeitnebenwirkungen einer häufigen Einnahme von Psychostimulanzien kann Bluthochdruck gehören, aber vielleicht noch wichtiger ist, dass sie chronischen Schlafentzug verursachen oder ermöglichen. Das Interesse an schlechtem Schlaf als unabhängigem Risikofaktor für eine schlechtere kardiometabolische Gesundheit und möglicherweise als Risikofaktor für Demenz nimmt zu. Es fehlen Daten über die langfristigen Auswirkungen von Modafinil, insbesondere bei Patienten, die das Medikament nicht verschrieben bekommen haben. Außerdem konzentrieren sich die meisten Forschungsarbeiten auf Personen mit Schlafstörungen, die nicht repräsentativ für alle Konsumenten sind und vor allem nicht für die, die Modafinil als Smart-Drug verwenden.
Möglicher Nutzen bei neurodegenerativen Erkrankungen
Kognitionsfördernde Medikamente wie Modafinil können einen therapeutischen Ausgleich für die neuronale Degeneration bieten, die im alternden Gehirn auftritt. Häufige Symptome neurodegenerativer Erkrankungen sind übermäßige Tagesmüdigkeit, kognitiver Abbau und verminderte Wachsamkeit. Modafinil wurde aufgrund seiner wachmachenden und möglicherweise neuroprotektiven Eigenschaften zur Behandlung dieser Symptome eingesetzt. Es wird vermutet, dass Modafinil eine Rolle bei der Vorbeugung von neurologischem Abbau und der Aufrechterhaltung optimaler Funktionen, insbesondere bei älteren Menschen, spielen könnte.
Alzheimer-Demenz
Die volkswirtschaftlichen Kosten von Alzheimer-Erkrankungen in Deutschland werden für das Jahr 2022 auf 83 Milliarden Euro geschätzt. Davon entfallen 28 Milliarden Euro auf direkte Kosten, wie zum Beispiel die Kosten für Medikamente, Pflege und Krankenhausaufenthalte. Die indirekten Kosten, wie zum Beispiel die Produktivitätsverluste und die Kosten für die häusliche Pflege, betragen 55 Milliarden Euro. Ein Katecholaminmangel ist für viele Demenzerkrankungen charakteristisch, und Modafinil führt zu einer Erhöhung des Katecholaminspiegels – daher wird seine Rolle bei der Kontrolle der Demenzsymptome postuliert.
Andere neurodegenerative Erkrankungen
Studien an Patienten mit Lewy-Körperchen-Demenz zeigten Verbesserungen der subjektiven Aufmerksamkeitsspanne und Wachsamkeit durch Modafinil. Eine Vorstudie an neun Patienten mit Lewy-Körperchen-Demenz oder Parkinson-Demenz zeigte eine leichte bis mäßige Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit nach Einnahme von Modafinil. Die Untersuchungen umfassten den psychomotorischen Vigilanztest, die Reaktionsbeurteilung und Aufgaben zur reflexiven Aufmerksamkeit. Obwohl es einige Hinweise auf eine symptomatische Verbesserung gibt, berichten Kliniker von begrenzten Veränderungen in der Praxis, und die meisten Studien sind präklinisch. Einige Fallberichte beschreiben auch eine Verschlechterung psychotischer Symptome aufgrund der dopaminergen Wirkungen von Modafinil. Das Ausmaß von Arzneimittelinteraktionen bei Demenzpatienten ist nach wie vor unklar.
Modafinil hat in Tiermodellen der Parkinson-Krankheit eine neuroprotektive Wirkung gezeigt. Einem Primatenmodell wurde MPTP injiziert(ein Toxin, das bei Menschen und Primaten Parkinson-Symptome hervorruft) und die Hälfte der Tiere erhielt zusätzlich eine Dosis Modafinil. Bei den mit Modafinil behandelten Tieren war der durch das Neurotoxin verursachte neuronale Verlust geringer und die Parkinson-Symptome nahmen ab, was darauf hindeutet, dass Modafinil auch andere Funktionen als die eines Psychostimulans haben könnte.
Modafinil als Smart-Drug: gibt es bessere Alternativen?
Es ist erwiesen, dass der Schlaf eine Schlüsselrolle bei der Gedächtniskonsolidierung und der Kodierung neuer Erinnerungen spielt. Während des Schlafs finden anatomische und chemische Veränderungen statt, die zu einer Neuordnung der Synapsen führen, um die Bildung neuer Erinnerungen zu verstärken. Bei Zebrafischen erhöht Modafinil die Anzahl der nächtlichen Aufwachphasen, was bedeutet, dass weniger Zeit in einem plastischen, gedächtnisfördernden Zustand verbracht wird. Modafinil als Smart-Drug kann somit zu längerem, aber nicht unbedingt zu intelligenterem Lernen beitragen. Nach ausreichendem Schlaf kann auch das Verlangen nach Modafinil nachlassen. Es gibt also einen Kompromiss zwischen den Vorteilen einer gelegentlichen Einnahme von Modafinil und den negativen Auswirkungen eines dauerhaften Schlafmangels. Wäre es nicht klüger, die körpereigene Gratis-Smart-Drug zu nutzen und vor dem Lernen ein Nickerchen zu machen?
Siehe auch: A State-of-the-Art Review on the Use of Modafinil as A Performance-enhancing Drug in the Context of Military Operationality (wissenschaftliches Review über den Stand des Wissens in Bezug auf die Verwendung von Modafinil als leistungssteigernde Droge im Kontext militärischer Operationen)